1. Was bedeutet digitale Barrierefreiheit?

Digitale Barrierefreiheit bezeichnet die ganzheitliche Gestaltung von digitalen Technologien, Anwendungen, Websites und Inhalten, um sicherzustellen, dass Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Beeinträchtigungen diese ohne Einschränkungen nutzen können. Das übergeordnete Ziel besteht darin, eine inklusive digitale Umgebung zu schaffen, die allen Nutzern gleichermaßen den Zugang zu Informationen, Dienstleistungen und Interaktionen ermöglicht.

Diese Barrierefreiheit erstreckt sich über verschiedene Dimensionen:

  1. Visuelle Barrierefreiheit: Hierbei geht es darum sicherzustellen, dass Informationen auch für Menschen mit Sehbehinderungen oder Blindheit zugänglich sind. Dies beinhaltet die Verwendung von Textalternativen für Bilder, kontrastreichen Farbschemata und skalierbaren Schriftarten.
  2. Hörbare Barrierefreiheit: Diese Dimension stellt sicher, dass Audioinhalte für Menschen mit Hörbehinderungen zugänglich sind. Dies kann durch die Untertitelung von Videos oder die Bereitstellung von Transkriptionen erfolgen.
  3. Motorische Barrierefreiheit: Hier steht die Gestaltung von Benutzeroberflächen und Interaktionselementen im Fokus, um sie für Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen leicht bedienbar zu machen. Dies kann die Integration von Tastaturbefehlen und alternativen Steuerelementen beinhalten.
  4. Kognitive Barrierefreiheit: Diese Dimension zielt darauf ab, klare und verständliche Inhalte zu schaffen, die auch für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen leicht zugänglich sind. Die Verwendung einfacher Sprache und klare Anweisungen unterstützt dies.

Die Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit stützt sich häufig auf international anerkannte Standards und Richtlinien, wie die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) der Web Accessibility Initiative (WAI) des World Wide Web Consortium (W3C). Durch die Implementierung dieser Standards wird eine inklusive digitale Umgebung geschaffen, die Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten die uneingeschränkte Teilnahme am digitalen Leben ermöglicht.

2. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und welche Unternehmen zur Barrierefreiheit verpflichtet werden

Basis des BFSG ist der European Accessibility Act (EAA). Der EAA regelt die Anforderungen zur Barrierefreiheit innerhalb der EU, an denen die Länder sich orientieren müssen. Die Umsetzungen der EU-Richtlinie regelt dabei das BFSG.

Die zentralen Informationen kurzgefasst:

  • Das Gesetz zur Barrierefreiheit tritt am 28. Juni 2025 in Kraft. Betroffene Unternehmen müssen die im Gesetz erwähnten Produkte und Dienstleistungen barrierefrei gestalten.
  • Betroffen sind Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als zwei Millionen Euro.
  • Das Stichwort "elektronischer Geschäftsverkehr" umfasst Dienstleistungen wie den E-Commerce-Handel, Online-Terminbuchungs-Tools und Formulare, die durch das Gesetz betroffen sind.
  • Bei Verstößen gegen das BFSG drohen Geldbußen bis zu 100.000 Euro.

Zur Quelle der Bundesfachstelle Barrierefreiheit

Zwei Finger berühren eine Tastatur für Blinde und Sehbinderte

Ausnahmeregelungen nach §16 und 17 BFSG:

  • Barrierefreiheitsanforderungen: Einhaltung dürfen keine wesentlichen Änderungen des Produktes oder der Dienstleistung erfordern, die zu einer grundlegenden Veränderung der Wesensmerkmale des
  • Produkts oder der Dienstleistung führen
  • Einhaltung darf zu keiner unverhältnismäßigen Belastung des betroffenen Wirtschaftsakteurs führen
  • Das heißt Performance, Funktionen oder Design sollten durch die Anpassungen nicht so stark eingeschränkt werden, dass ein unverhältnismäßiger, wirtschaftlicher Schaden entsteht.
  • Kleinstunternehmen
  • B2B Unternehmen sind nach § 1 Abs. 3 Nr. 5 BFSG ausgeschlossen (sofern Verbraucher also B2C Kunden komplett von der Seite ausgeschlossen werden)

3. Welche Anforderungen gibt es an die betroffenen Unternehmen?

Als Grundlage zur Umsetzung und Orientierung der digitalen Barrierefreiheit dienen die WCAG 2.2 Guidelines. Die WCAG sind internationale Richtlinien zur Schaffung barrierefreier Internetangebote.
Zur Quelle der Bundesfachstelle Barrierefreiheit

Die Anforderungen der WCAG selbst werden in 13 Richtlinien und 17 Erfolgskriterien unterteilt. Erst vor kurzem wurden diese Guidelines von WCAG 2.1 auf 2.2 aktualisiert und auf 9 zusätzliche Erfolgskriterien erweitert. Die Erfolgskriterien selbst werden zusätzlich in drei verschiedene Konformitätsstufen (level) unterteilt:

  • A (niedrigste Stufe)
  • AA (gute Zugänglichkeit)
  • AAA (höchste Stufe, niedrigste Priorität)

A und AA müssen beispielsweise öffentliche Einrichtungen in Deutschland mindestens erreichen. Je nach Bundesland und Art der Einrichtung kann es auch sein, dass ein AAA-Benchmark für die jeweilige Website festgelegt wird.

Die digitale Barrierefreiheit kann somit nicht mit einem klaren "ja, unsere Website ist barrierefrei" oder "nein, unsere Website ist nicht barrierefrei" angegeben werden. Es sollte deshalb so gut es geht versucht werden, die Konformitätsstufen zu erfüllen. Nicht erfüllte Aspekte werden dabei in einer sog. "Erklärung zur Barrierefreiheit" dokumentiert. Welche Konformitätsstufen sind für die betroffenen Unternehmen relevant? Im BFSG gibt es keine konkreten Angaben, sondern es wird auf EU Direktiven bzw. Normen verwiesen. Anhaltspunkt in diesem Kontext ist die "Konformitätsvermutung auf Grundlage harmonisierter Normen" (§4 BFSG) welche wiederum auf Direktiven und Normen wie die EN 301 549 verweist. Die Norm EN 301 549 verweist wiederum auf die WCAG 2.1 AA Richtlinien. Anhand dessen können wir nach dem aktuellen Stand (sofern sich die aktuelle Gesetzgebung nicht ändert) davon ausgehen, dass die Konformitätsstufe AA für die deutschen Unternehmen angestrebt werden sollte.

Eine Darstellung von vier Ebenen. Die unterste Ebene beschreibt den European Accessibility Act, die zweite die EN301548 Norm, die dritte die WCAG 2.2 Richtlinie und die vierte das BFSG

4. Welche Maßnahmen müssen betroffene Unternehmen nach der BFSG umsetzen?

Obwohl die WCAG konkrete Handlungsanweisungen vorgibt, sind diese nicht unbedingt leicht verständlich erklärt und teilweise sehr pauschal formuliert, wodurch der konkrete Bezug zur Praxis fehlt. Deswegen listen wir hier die wichtigsten Aspekte in einer allgemein verständlichen Sprache auf, welche in der Praxis relevant sein werden (individuelle Mikrooptimierungen sind in dieser Auflistung ausgeschlossen):

  1. Design:
    • Farb- Kontrastwerte von Schriften, Formen und Bildern
    • Schriftgrößen
    • Abstände zwischen Laufweite, Zeilen, etc.
    • Überschriftenstruktur
    • Visueller Aufbau der Navigation
       
  2. Design/Content
    • Kontextuelle Erklärung von Bild-/Textkombinationen
    • Konzeption von barrierefreien Formularen
       
  3. Content:
    • Pflegen und formulieren von Alt-Attributen (Bilder)
    • Formulieren und pflegen von "sprechenden Links" - Verwendung einer klaren und prägnanten Sprache
       
  4. Technisch:
    • Jegliche Elemente die angesteuert werden können, müssen mit der Tastatur (tab-Taste) ansteuerbar sein (Navigation, Slider-buttons, Links, Formulare, etc.)
    • Einfügen von barrierefreien Features wie: breadcrumbs Sprungmarken "scroll-to-top-button" barrierefreie recaptchas Ansteuerbare Pins von interaktiven Karten
       
  5. Rechtliche Hinweise:
    • Erklärung zur Barrierefreiheit (auflisten der Features/Elemente welche nicht barrierefrei sind)
    • Zusammenfassende Erklärung der Website auf einer Landingpage in "einfacher Sprache"


Was wird vermutlich für betroffenen Unternehmen im Kontext der BFSG nicht relevant sein (oder steht noch zur Diskussion):

  • Implementation von Readspeaker-Software (in Diskussion)
  • Implementation von Kontrast-Switcher (in Diskussion)
  • Übersetzung der Videos in Gebärdensprache (vermutlich nicht relevant)
  • Gesamte Übersetzung jeglicher Inhalte in einer "einfachen Sprache" (vermutlich nicht relevant)
Junge gehörlose Frau führt ein nonverbales Gespräch in einem Online-Videoanruf

5. Wieso sollten Unternehmen in die digitale Barrierefreiheit investieren?

Unternehmen sollten in digitale Barrierefreiheit investieren, da dies nicht nur gesetzlichen Anforderungen entspricht, sondern auch zahlreiche geschäftliche Vorteile bietet. Die Erweiterung der Zielgruppe, die Verbesserung des Markenimages, die Steigerung der Kundenzufriedenheit und der Wettbewerbsvorteil sind nur einige der positiven Effekte. Darüber hinaus fördert die Investition in digitale Barrierefreiheit Innovation und Vielfalt am Arbeitsplatz. Langfristig trägt sie zur Kosteneffizienz bei, indem sie teure Nachbesserungen minimiert und die Wartungsaufwände reduziert. Insgesamt positioniert sich ein Unternehmen durch diese Investition als sozial verantwortlich und zukunftsorientiert.

6. Wie können die Maßnahmen überprüft und potentielle Fehler identifiziert werden?

Die Überprüfung einer barrierefreien Webseite auf Fehler kann durch verschiedene Methoden erfolgen. Hier sind einige gängige Ansätze:

  1. Manuelle Überprüfung:
    • Sichtprüfung: Visuelle Überprüfung, ob alle wichtigen Informationen, Links und Interaktionselemente auch ohne Grafiken oder nur mit Text verständlich sind.
    • Tastaturnavigation: Testen, ob alle Funktionen der Webseite auch per Tastatur zugänglich und bedienbar sind.
    • Farbkontrastprüfung: Sicherstellen, dass Texte ausreichend vom Hintergrund kontrastieren, um auch für Menschen mit Sehbehinderungen gut lesbar zu sein.
  2. Automatisierte Tools:
    • Nutzen Sie barrierefreie Testwerkzeuge wie den WAVE (Web Accessibility Evaluation) oder den AXE Accessibility Checker. Diese Tools können automatisierte Überprüfungen durchführen und auf potenzielle Barrierefreiheitsprobleme hinweisen. Die Ergebnisse sind jedoch auch oft mit Vorsicht zu genießen.
  3. Screenreader-Tests:
    • Simulieren der Webseite durch einen Screenreader, um sicherzustellen, dass alle relevanten Informationen auch für Menschen mit Sehbehinderungen zugänglich sind. Testen der Reihenfolge, in der Inhalte vorgelesen werden.
  4. Browser-Erweiterungen:
    • Nutzen von Browser-Erweiterungen wie den Web Developer Toolbar oder die Axe Browser Extension, um barrierefreie Prüfungen direkt im Browser durchzuführen.
  5. Benutzertests mit Menschen mit Behinderungen:
    • Durchführen von Benutzertests mit Personen, die verschiedene Formen von Behinderungen haben. Das direkte Feedback von echten Nutzern kann wertvolle Einblicke liefern.
  6. Validierung nach aktuellen WCAG-Richtlinien:
    • Überprüfen Sie, ob Ihre Webseite den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) entspricht. Die WCAG bieten klare Richtlinien und Erfolgskriterien für die BFSG.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Kombination verschiedener Methoden am effektivsten ist. Automatisierte Tools können viele Aspekte abdecken, aber sie erfassen nicht alle potenziellen Barrierefreiheitsprobleme. Die Integration von manuellen Überprüfungen und Benutzertests stellt sicher, dass die Webseite umfassend und effektiv barrierefrei gestaltet ist.

7. Projektanfragen und Support zur Umsetzung von digitalen, barrierefreien Projekten

Wir betreuen Sie gerne bei der Beratung, Planung und Umsetzung der Maßnahmen. Gerne  finden wir gemeinsam mit Ihnen die beste Mischung aus adhoc-Anpassungen, laufenden Optimierungen und Schulung Ihrer Mitarbeitenden.

Unsere Leistungen umfassen unter anderem:

  • Barrierefreiheitsüberprüfungen: Wir führen umfassende Analysen Ihrer digitalen Plattformen durch, um mögliche Barrieren zu identifizieren und Lösungen für eine verbesserte Zugänglichkeit vorzuschlagen.
  • Schulungen und Sensibilisierung: Wir bieten Schulungen und Sensibilisierungsprogramme an, um Ihr Team für die Bedeutung der digitalen Barrierefreiheit zu sensibilisieren und die Umsetzung in Ihren Arbeitsablauf zu integrieren.
  • Barrierefreie Webentwicklung: Unser erfahrenes Entwicklungsteam steht Ihnen zur Verfügung, um Ihre Webseite oder Anwendung gemäß den aktuellen Barrierefreiheitsstandards zu gestalten und zu optimieren.
  • Projektberatung und -management: Wir unterstützen Sie bei der Planung und Umsetzung größerer Projekte zur Verbesserung der digitalen Barrierefreiheit in Ihrem Unternehmen.
  • Regelmäßige Aktualisierungen: Wir halten Sie über neue Entwicklungen im Bereich der digitalen Barrierefreiheit auf dem Laufenden und unterstützen Sie dabei, stets den aktuellen Standards zu entsprechen.
  • Erstellung barrierefreier Inhalte: Unsere Content-Spezialistinnen und Spezialisten unterstützen Sie bei der Erstellung barrierefreier Text-, Audio- und Bild-Inhalte.

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