Schon seit Jahren spielt Google unter anderem in den SERPs neben Anzeigen und organischen Suchergebnissen auch verschiedene andere Formate aus. Sucht der Nutzer beispielsweise nach einem Rezept oder Songtext, werden diese bereits direkt auf der Google-Seite angezeigt, sodass der User nicht mehr auf ein Suchergebnis klicken und dem Link folgen muss. Google beschleunigt so den Suchprozess für den Nutzer und sorgt ganz nebenbei dafür, dass der User bei Google selbst bleibt.
Nun kommt ein weiteres Format für die mobile Suche hinzu: Die Web Stories. Während die meisten Social-Media-Plattformen wie Snapchat, Pinterest, Instagram und Facebook schon seit längerem ähnliche Formate nutzen und fest etabliert haben, testet Google die Web Stories erst seit kurzem in Deutschland aus.
Web Stories sind vielfältig: Sie können verschiedene Formate wie Videos, Bilder, Animationen, Texte oder Audioinhalte enthalten. Die unterschiedlichen Formate lassen sich auch in einer einzigen Story kombinieren. Der Nutzer kann meist selbst bestimmen, in welchem Tempo er die Stories konsumieren möchte. Enthalten sie beispielsweise Inhalte, die auf mehrere Seiten verteilt sind, tippt oder wischt der Nutzer zur nächsten Seite weiter.
Das Roll-out erfolgte im Oktober 2020 zunächst für die USA, Indien und Brasilien. Google Discover spielt dort ein Karussell im Newsfeed aus. Auch in den SERPs werden sie angezeigt – das bleibt bislang jedoch Nutzern in den USA vorbehalten, die in englischer Sprache suchen.
Mittlerweile können die Web Stories laut Statement von Google in allen Ländern weltweit erstellt und ausgespielt werden, in denen die Google-Suche verfügbar ist. In den SERPs findet man das neuartige Format hierzulande aber noch vergeblich. Die bislang einzige Möglichkeit, Web Stories angezeigt zu bekommen, besteht in der Bildersuche von Google. Das Format erkennt man an einem speziellen Symbol, mit dem die Web Stories markiert sind. Erstmals registrierten SEOs die Web Stories im Spätsommer 2022 in Deutschland.
Web Stories bauen auf demselben Framework wie AMP auf. Das Format wurde hauptsächlich von „Publishern“, also Zeitungen und Nachrichtenagenturen verwendet, konnte sich in Deutschland seit der Einführung von AMP Stories im Jahr 2018 aber nie richtig durchsetzen. Hintergedanke von AMPs war, Webinhalte bei der mobilen Suche schneller auszuspielen. Dafür wurde bei AMPs auf bestimmte HTML-Elemente und JavaScript verzichtet. Zwar konnte so die Ladegeschwindigkeit erhöht werden, gleichzeitig gingen damit jedoch erhebliche Einschränkungen einher, etwa in Bezug auf die zur Verfügung stehenden Designmöglichkeiten.
Außerdem wurden AMPs nicht über den eigenen Webserver, sondern über die Server von Google ausgespielt und dadurch an den Google-Cache gekoppelt. Das erhöhte zwar die Ladegeschwindigkeit erheblich, erschwerte in der Folge aber die Webanalyse, da Google das Tracking und die Auswertung des Traffics auf die eigene Website nur eingeschränkt zuließ. Ein weiterer Nachteil: Google spielte bevorzugt Seiten im News-Karussell in den SERPs aus, die den AMP-Anforderungen entsprachen und benachteiligte auf diese Weise andere Seitenbetreiber, welche nicht auf die AMP-Technik setzten. Da die zusätzliche Erstellung einen hohen Aufwand bedeutete und keine sichtlichen Vorteile für Seitenbetreiber brachten, wurden AMPs vor allem von Webentwicklern eher kritisch beäugt.
Mit dem zunehmenden Erfolg von Story-Formaten in diversen Social-Media-Kanälen startet Google nun einen neuen Anlauf. Aufgrund der Ähnlichkeit zu AMP stießen die Web Stories bei vielen Digitalexperten zunächst auf Skepsis. Doch sie unterscheiden sich in wesentlichen Punkten zu dem vorher verfügbaren Format. Zu den wichtigsten Merkmalen zählt beispielsweise, dass Web Stories – anders als AMP-Seiten – alleinstehende HTML-Seiten sind und auf dem eigenen Server gehostet werden. So können Websitebetreiber den durch Web Stories generierten Traffic zur eigenen Website viel besser nachverfolgen als bei AMPs.
Auch die Erstellung ist mit weniger Aufwand verbunden, denn Google sowie diverse andere Anbieter stellen dafür Plugins zur Verfügung. Damit lassen sich unter anderem in WordPress zeitnah Web Stories mit zahlreichen Designmöglichkeiten erstellen und veröffentlichen. Der Websitebetreiber kann beispielsweise Links zur Website oder Werbeanzeigen in die Stories integrieren und dadurch den Traffic auf den eigenen Internetauftritt erhöhen.
Da sich die Web Stories in anderen Ländern bereits mehr oder weniger etabliert haben, können sich Online-Marketer Tipps für die Umsetzung vor allem von der englischsprachigen Community holen. Auch Google selbst hat bereits Guidelines dazu veröffentlicht. Beispielsweise sollen Stories abgeschlossen sein, also bei Rezepten alle Zutaten sowie mindestens eine Kurzform der Zubereitung enthalten sein. Da viele Websitebetreiber die Web Stories zunächst nutzten, um Themen darin anzuteasern und die Nutzer so auf die Website zu locken, wo die restlichen Inhalte zu finden waren, wollte Google solchen Praktiken mit seinen Richtlinien entgegenwirken.
Websitebetreiber, die WordPress als CMS nutzen, haben bei der Erstellung und dem Hosting von Web Stories leichtes Spiel: Google hat hierfür eigens ein Plugin entwickelt. Dieses ist sehr intuitiv gestaltet, sodass auch Nutzer, die über keine oder nur wenig Programmiererfahrung verfügen, innerhalb kurzer Zeit Web Stories erstellen können. Das gelingt, weil Google zum einen zahlreiche Designvorlagen bereitstellt und zum anderen großen Wert auf eine intuitive Bedienoberfläche legt, wodurch neue Elemente ganz einfach per Drag & Drop hinzugefügt werden können. Bei Nutzung des Plugins werden die Web Stories außerdem direkt auf der eigenen Website gehostet, wodurch das Tracking vereinfacht wird.
Andere Anbieter haben bereits Anwendungen entwickelt, die sich auch unabhängig vom CMS nutzen lassen. Dazu zählen Newsroom AI und MakeStorys. Beide Tools bieten zahlreiche Designvorlagen und Zugriff auf professionelle Bilder an. Nutzer können auch in Teams zusammenarbeiten und haben damit Zugriff auf die Web Stories anderer Teammitglieder. Auch das Tracking und die Analyse von Zugriffsdaten soll zum Teil durch die Tools ermöglicht werden.
Während bei den AMP Stories also meist erfahrene Entwickler ans Werk mussten, legt Google bei dem neuen Story-Format nun Wert auf eine möglichst einfache Erstellung. Das bringt den Vorteil, dass Unternehmen oder Publisher nicht erst die raren Ressourcen von Entwicklern anzapfen müssen. Mit dieser Vorgehensweise möchte Google erreichen, dass möglichst viele Websitebetreiber auf Web Stories als zusätzlichen Online-Marketing-Kanal zurückgreifen und die Suchmaschine das dynamische Content-Format zu möglichst vielen Keywords ausspielen kann.
Den Inhalten von Web Stories sind keinerlei Grenzen gesetzt. Unternehmen sollten sich dennoch Gedanken darüber machen, welche Inhalte sich für Web Stories am besten eignen. Nutzer erwarten hier kaum trockene Unternehmenspräsentationen oder eine bloße Aneinanderreihung mehrerer Seiten mit Texten und Bildern ohne Aussagekraft, sondern, wie es der Name schon sagt, Geschichten. Damit sind Inhalte gemeint, die erzählens- oder wissenswert sind und dem Nutzer einen Mehrwert bieten oder ihn in anderer Weise auf das Unternehmen aufmerksam machen. Schritt-für-Schritt-Anleitungen oder diverse Listenformate bieten sich dafür genauso an wie Rezepte.
Auch Inhalte, die an die Emotionen des Nutzers appellieren oder humorvollen Content enthalten, eignen sich besonders gut für Web Stories, insofern diese gut durchdacht sind und nicht auf Kosten anderer erstellt wurden. Das dynamische Contentformat kann außerdem unabhängig von der Branche, in welcher der Creator tätig ist, genutzt werden. Geschichten lassen sich sowohl im Lifestyle-Bereich als auch in der Industrie erzählen, wenn eine interessante Idee dahintersteckt und die Umsetzung gut durchdacht und gemacht wurde.
Unabhängig davon, dass das Format hierzulande erst ganz am Anfang steht, sollten sich Creator sowie Marketing- und SEO-Experten ausreichend damit auseinandersetzen, bei welchen Keywords Web Stories überhaupt Sinn machen und welche Inhalte für die Nutzer interessant sein könnten. Das gilt auch für die Struktur des Contents: Da Medien wie Bücher, Filme oder sogar ganz gewöhnliche Werbeanzeigen in der Regel einen Spannungsbogen besitzen und einem bestimmten Erzählmuster folgen, erwarten Konsumenten dies auch von anderen Story-Formaten. So sollen sie beispielsweise einen Konflikt enthalten und im weiteren Verlauf eine Lösung präsentieren. Oder der Protagonist folgt der im Storytelling weit verbreiteten „Heldenreise“, wo er zunächst für einer schwierigen Aufgabe steht und diese nach diversen Herausforderungen und Hindernissen mit Bravour besteht. Um den Nutzer zu überraschen, kann der Held auch auf tragische oder humorvolle Art daran scheitern, was ganz davon abhängt, welches Ziel mit den Web Stories verfolgt wird.
Deshalb ist es bei komplexeren Web Stories, die nicht einfach nur eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für ein Regal aus dem Möbelhaus oder das Rezept für einen bayerischen Brotaufstrich enthalten, zunächst ratsam, sich für eine Storytelling-Erzählweise zu entscheiden. Neben der klassischen Heldenreise gibt es noch zahlreiche andere Strukturen, wie eine Geschichte aufgebaut werden kann, damit der User nicht schon nach wenigen Sekunden wegklickt. Auch eine Art Storyboard oder kurzes Drehbuch zu erstellen, bevor es an die Umsetzung geht, macht bei aufwendigeren Web Stories, die beispielsweise auch Bewegtbilder enthalten, durchaus Sinn.
Anders als bei den AMP Stories haben Websitebetreiber und Online-Marketer nun sehr viel mehr Möglichkeiten zur Gestaltung und Traffic-Auswertung von Web Stories und sind dabei nicht an eine bestimmte Technik gebunden. Web Stories stellen folglich einen einfachen und günstigen Weg dar, Nutzer über einen zusätzlichen Kanal auf die eigene Website zu lenken. Unternehmen können außerdem die Erfahrungen aus anderen Ländern nutzen, um hierzulande gute Web Stories zu kreieren, ohne bislang auf eine zu große Konkurrenz zu stoßen. Wer diese Wege früh austestet, kann sich schon bald einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern erarbeiten, die sich erst später mit dem Thema befassen. Es bleibt lediglich abzuwarten, ob und wann Google die Web Stories in Deutschland auch für andere Bereiche außerhalb der Bildersuche wie die SERPs oder Google Discover ausrollt.